Sie schimpfen sich Gronkh, Paluten oder Pamela Reif. Diese Content-Creator zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie eins mit Sicherheit niemals schaffen: mich zu überraschen.
Niemanden brauche ich zu erklären, dass die Zeiten der großen TV-Unterhaltung vorbei sind. Längst überholt ist die große Show am Samstagabend, bei der sich die ganze Familie auf dem Sofa tummelt, um Gottschalk beim Hände schütteln zu beobachten oder sich zu fragen: Verstehen Sie Spaß? Sogenannte Content-Creator haben diesen Bereich an sich gerissen. Ob Pranks, Gaming oder Hot-Tub-Show, die neue Form der Unterhaltung verzichtet auf Beifall, Stand-Up oder Prominente.
Content aus der Küche
Die neuen Macher, auch als Influencer bekannt, können ihren Content aus der Küche verbreiten. Sie brauchen weder ein Studio, Show-Acts, geladenes Publikum noch irgendwelche Knebelverträge – es sei denn, sie wollen mit dämlichen Produktplatzierungen nebenbei Geld verdienen. Man kommt kaum an ihnen vorbei. Aus diesem Grunde konsumierte ich den einen oder anderen Inhalt der bekanntesten Kanäle – und – was soll ich sagen? Meine Enttäuschung ist groß.
Kurzer Blick zurück: Vor einigen Jahren existierten sogenannte »Offene Kanäle«. Meist lokale Fernsehanstalten, die mit Content von Bürgern versorgt wurden. Es gab zum Beispiel wunderbar absurde Talkrunden oder ambitionierte Dokumentationen über die beliebtesten Straßenbahn-Strecken. Ich vermisse diese kreativen Experimente, mit denen zwar mehr oder weniger bekannte Formate imitiert wurden, aber durch ihre exzentrische Darstellung Charakter zeigte. Selbst die ödesten Städte wirkten auf einmal lebendig – dank ihrer Bürger.
Bitte mehr Chaos
Heutzutage hat jedermann die Möglichkeit via Social Media, YouTube oder Twitch live ihre kreativen Einfälle zu präsentieren. Doch leider ist die Praxis weitaus unspektakulärer als die damaligen Sendungen auf den offenen Kanälen. Stattdessen werden stets die gleichen Formeln übernommen, sei es die Art und Weise der Präsentation oder Inhalte. Wenn Montana Black im Hintergrund 20 Neonröhren leuchten hat, werden die nächsten Streamer definitiv auch genauso viele Neonröhren zeigen. Hat Gronkh ein Kanal-Intro mit Musik, werden die nächsten Klicks zu Influencern führen, die das kopieren.
Das Gleiche gilt für Podcast-Formate. Wobei da auch die großen Medien kräftig mitmischen. Die Formel der zwei Semi-Prominenten, welche über den Unsinn der Woche debattieren, wurde mittlerweile so oft verwendet, dass ich sie kaum auseinanderhalten kann. Es ist schade, dass die vielen Möglichkeiten ungenutzt bleiben. Ich würde mir mehr Mut wünschen, mehr Chaos! Statt Wert auf die perfekte Ausleuchtung zu legen, würde ich mir Content wünschen, der nicht das bekannte aus der Medienwelt kopiert. Vielleicht ist auf dem Weg zur permanenten Selbstdarstellung aber auch die Kreativität abhanden gekommen.
Das Schweigen fehlt
Es häufen sich die unbeantworteten Nachrichten in meinen Messenger-Apps. Auch wenn es keine Gespräche Angesicht zu Angesicht sind, wirkt es beinahe so, als würde ich mitten bei einem Treffen den Tisch und somit die Konversation verlassen und erst Wochen später wiederkommen. Wo waren wir?
Junge Leute telefonieren nicht mehr, habe ich mir sagen lassen. Ob dem wirklich so ist, vermag ich nicht zu beurteilen, doch möchte ich dem Glauben schenken. Schließlich ist WhatsApp der Standard für die alltägliche Kommunikation, Kommentare unter einem TikTok oder einer Insta-Story allgegenwärtig. Dabei hat die Unterhaltung via Telefon einen Vorteil: es darf geschwiegen werden.
Lebst Du noch?
Die indirekte Kommunikation über WhatsApp und Co. löst in mir das Gefühl aus, dass ich auf jede erhaltene Nachricht reagieren muss. Selbst wenn es nur ein Daumen-hoch-Emoji oder ein Tränen lachender Smiley ist. Einen Text unkommentiert stehen lassen wirkt unhöflich und desinteressiert; manch ein empörter Gesprächspartner fragt direkt: Lebst du noch? Ein Telefonat, insofern sich beide auch was zu sagen haben, bietet die Option, den zugespielten Ball auch mal eine Runde liegen zu lassen.
In realen Gesprächen wäre der ständige Zwang zur Reaktion undenkbar und einfach nur weird. Man stelle sich vor, jemand schüttet mir sein/ihr Herz aus und ich kommentiere das Gehörte mit einem Daumen hoch. In den gewissen Momenten den Mund zu halten, das Schweigen als Beitrag im Sinne von »Ich bin für Dich da« anzubieten, das fällt heutzutage oft weg. Es muss explizit erwähnt werden. Das, was sonst durch Körpersprache oder Blicke gesagt werden konnte.
Der Rest ist Schweigen
Ein Kompromiss ist derzeit undenkbar. Möglicherweise folgt in Zukunft der Schritt zur Kommunikation durch Hologramme. Ich stehe als Holo-Miniatur auf dem Küchentisch nach dem Motto »Helft mir Obi-Wan Kenobi. Ihr seid meine letzte Hoffnung«, aber ich würde hoffentlich sehen, wenn mitten im Gespräch mein Gegenüber den Raum verlässt und erst viel später wiederkommt. Hoffentlich habe ich dann in der Zwischenzeit keine Augenroll-Emojis verschickt.
Wahrscheinlich werde ich nach und nach die erhaltenen Nachrichten beantworten. Manche werden verständnisvoll reagieren, manche enttäuscht. Ich werde mich gewiss mehrfach entschuldigen und beteuern, dass es keine böse Absicht war. Stimmt ja auch. Es wäre nur so viel leichter, wenn ich einfach wortlos darstellen könnte, dass ich zwar nicht direkt im Dialog bin, aber dennoch irgendwie da.
Grüße an den leeren Raum
Fast wäre das Jahr 2023 ohne einen neuen Blogeintrag an mir vorbeigezogen. Aber hier ist ein Lebenszeichen in Form eines kleinen Textes, eine kleine Rückschau auf die Zeit nach dem letzten Artikel und ein Ausblick auf kommende Inhalte – Spoiler-Alarm.
Wie die Zeit verfliegt. Stimmt es wirklich, dass ab einem gewissen Alter die Monate und Jahre nur so runter rattern? Dass ich gefühlt morgens einatme und abends ausatme? Vielleicht liegt es an der täglichen Tretmühle, ihr wisst schon, Arbeiten, Essen und Schlafen. Kein Raum für freie Gedanken, für wilde Abenteuer oder ein Abbiegen auf eine unbekannte Route. Der letzte Blogeintrag ist über ein Jahr her. Auch wenn ich mir damals vorgenommen hatte, wieder regelmäßig zu schreiben, konnte ich mich nicht dazu aufraffen.
Für den Abgrund schreiben
Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mein Leben seit Mai 2022 so bahnbrechend aufregend gewesen wäre; es gäbe so viel zu sehen, zu erleben und zu erfahren. Nein, ich ließ mich leider hinreißen. Eine unverzeihliche Mixtur aus übertriebenem Pflichtgefühl, Kapitulation vor dem Standard mit einer kräftigen Prise Faulheit demotivierte mich. Doch was mich ebenfalls am Schreiben hinderte, war das Gefühl, ich würde mich einem Nichts offenbaren. Einem leeren Raum, einer Lücke. Schreibe ich für den Abgrund? Etwas düster, selbst für mich Schwarzmaler.
Themenwechsel. Auch ich wurde durch den grassierenden Podcast-Virus angesteckt. Die typischen Musik-Apps nerven immerzu mit uninteressanten Formaten – besonders jene Made in Germany. Aber ein Projekt erregte meine Aufmerksamkeit, sodass ich jede Folge verfolgte. Es ist ein US-Podcast rund um ein spezielles Comic-Label, Special Interest sozusagen. Dieses Label war groß in den 90ern und ich habe die heute noch bekannten Titel wie Sandman, Preacher und Hellblazer geliebt. So sehr, dass ich diesen Podcast mit all seinen wertvollen Inhalten geradezu aufsog. Die Sendung erinnert mich womöglich an bessere Tage, genau wie diese Comics. Leider endete die Reihe vor ungefähr einem Jahr.
Shouting into a void
Ich schrieb die Macher des Podcasts an und erhielt glücklicherweise eine Antwort. Wir sind zum Glück auf einer Wellenlänge und tauschten ein paar Zeilen. Auch der Kopf hinter diesem Format hatte trotz aller Folgen das Gefühl, ich zitiere: that I (he) was shouting into a void. Dieses Gefühl kann ich gut nachempfinden, nicht nur beim Schreiben hier entsteht dieser Eindruck. Auch mein Alltag fühlt sich teilweise so an. Arbeiten, schlafen und Essen – für den leeren Raum. Erfüllt es mich? Im metaphorischen Sinne (jaja, Essen füllt den Magen) nicht. Die Lücke kann aber geschlossen werden, wie unser Austausch zeigt.
Demnächst wird es neue Folgen vom Podcast geben. Meine Begeisterung in Bezug auf sein Projekt und mein Fan-Mail motivierten ihn weiterzumachen. Und was soll ich sagen? Es steckt an. Nun sitze ich hier und tippe diesen Zeilen runter und ärgere mich über die ganzen Monate ohne neue Blogeinträge. Dabei war dies immer genau das, was mich über Wasser hielt. Das Schreiben selbst mag meinetwegen in einer Art leeren Raum geschehen, doch das Ergebnis ist alles andere als das. Du bist der- bzw. diejenige Person, welche die Lücke füllt. Danke dafür und bis zum nächsten Mal.
Mixtapes – Eine Liebeserklärung
Denke ich an Romantik, denke ich an Mixtapes. Die kleinen Plastikteile dienten nicht nur als Songsammlung, sondern auch als Liebeserklärung.
Nietzsche soll einst den bekannten Satz »Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum« geschrieben haben. Nicht einmal den größten Querulanten würden zu dieser Aussage nennenswerte Gegenargumente einfallen. Ich setze an dieser Stelle noch einen drauf und behaupte: »Ohne Musik wäre die Liebe ein Irrtum«. Begründen möchte ich meine These mit der Existenz von Mixtapes, die wahrscheinlich beinahe jeder über beide Ohren Verliebte für seinen Schwarm zusammengestellt hat. Eine ordentliche Mischung aus Kuschelrock, Herzschmerz und sexy Grooves.
Superaffentittengeiler Bandsalat meiner Jugend
Doch was ist ein Mixtape? Kurz gesagt, eine Playlist auf Plastik gebannt – auf einer Audiokassette. Diese Kassetten wecken direkt Assoziationen bei mir – an Bandsalat und Bleistifte. Warum? Das Abspielen der Tapes endete irgendwann in einem Chaos, weil das aufgerollte Audioband sich von der Rolle löste und Panik im Walkman auslöste. Mit einem Bleistift ließ sich der gesamte Kladderadatsch aufrollen. Aber die Teile waren nicht nur zum Aufrollen da, sondern auch zum Mitschneiden der liebsten Radio-Programme oder zum selbst Aufnehmen. Ich selbst stellte mir via Rekorder meine Lieblingsmusik zusammen und schrieb halt irgendwas Cooles drauf – wie »Cool Mix«.
Die ganz Mutigen unter den Möchtegern-DJs der 80er und frühen 90er sprachen ihre Intros selbst ein. Oder war das nur bei meinen Aufnahmen der Fall? Keine Ahnung, jedenfalls habe ich meine Tapes meist so oder ähnlich eingeleitet: »Hey, das ist der Superaffentittengeile-Hitmix von mir«. Ebenfalls ein Meilenstein meiner noch nicht aufgeblühten Kreativität. Im Laufe der Jahre nahm das Mixtape zusätzlich eine weitere Rolle an. In meiner Jugend dienten Tapes als Vehikel, um die Damenwelt zu beeindrucken. Frei nach dem Motto: »Hey, mein Musikgeschmack ist voll cool, heirate mich!«. Ich verteilte meine Mixtapes stapelweise, mit überschaubarem Erfolg.
Adieu, Mixtapes: Playlist statt Plastik
Bleiben wir bei der Romantik in Plastik: Die meisten von uns kennen das zaghafte Abchecken des Gegenübers, wenn es ums Kennenlernen geht. Mit dem Präsentieren der Lieblingsmusik kann man sich von seiner Schokoladenseite präsentieren, sofern kein Blödsinn in der Playliste steht. Heutzutage nutzen die Leute wohl Spotify, Amazon und Co., um Playlisten zu erstellen. Und nehmen wir einmal an, dass diese auch zwischen Verliebten geteilt werden.
Aber fehlt da nicht was? Das griffige Plastik, welches feierlich mit hochrotem Kopf überreicht wird? Die Beschriftung, bei der man sich ordentlich Mühe gab, sämtliche Schriftzüge der Lieblingsbands nachzuahmen? Das eigens gesprochene Intro, was jedem Kirmeskarussell-Betreiber Konkurrenz macht? Die Fortsetzung, ein »Cool Mix Vol. 2«, die mehr Charakter hat als jede Datensammlung in einer Cloud? Ein Irrtum!
Die beste Zeit der klassischen Mixtapes und den dazugehörigen Audiokassetten scheint vorbei. Und das ist schade. Wie wollt ihr euren Schwärmen und Love-Interests euer Innerstes, eure Gefühle und all das, wofür ihr keine Worte findet, präsentieren, wenn sie alle eure Instagram-Selfies und Stories durch haben? Mit einer unpersönlichen Playlist? Vielleicht. Nur denk daran: vielleicht bist noch nicht soweit und redest etwas Dummes, anstatt die Musik selbst wirken zu lassen. Wie zum Beispiel »cool«.
Zusammenziehen – Bist du bereit für ein Leben ohne Me-Time?
Schnauze voll vom Alleine leben? Doch bevor man mit seinem Herzensmenschen zusammenzieht, sollte man sich ein paar Fragen stellen.
Auf eine Phase voller Schmetterlinge im Bauch folgt eines Tages der Moment der Wahrheit. Eingeleitet durch die ultimative Frage, die über die Zukunft der Beziehung entscheidet: sind wir bereit für erste gemeinsame Wohnung? Für einen Zahnputzbecher mit zwei Bürsten? Für ein Riesensofa, was beide vollpupsen werden? Eine übereifrige Bauchentscheidung (anstatt einer Kopfentscheidung) kann zu tragischen Beziehungskrisen führen. Ob ein Zusammenziehen überhaupt in Frage kommt, lässt sich vorab mit ein paar simplen Fragen klären.
Von Hotel Mama ins Wrestlingszimmer- mit Popcorn
Der wichtigste Faktor für ein erfolgreiches Zusammenziehen ist … ja, Geld. Klar, das wissen wir bereits. Ebenso entscheidend ist jedoch die Einbeziehung des Partners bzw. der Partnerin. Sind die Geschmäcker überhaupt kompatibel? Streben beide Personen ähnliche Ziele an? Ja, wie gut kennt ihr euch überhaupt? Schlimmstenfalls gibt es am Ende ein böses Erwachen, weil der Herzensmensch von Anfang an eine exzessive Neigung für Popcorn-Mampfen-im Bett verschwiegen hat.
Laut meiner Erfahrung sind es in Hetero-Partnerschaften meist die Kerle, die nie in den Genuss des Alleine-Lebens erlebt haben. Viele ziehen direkt von Hotel Mama zur ersten Freundin hin zur nächsten Freundin. Bei diesem Vagabundentum landen die meisten Entscheidungen über die Bleibe bei der Partnerin. Wenn ich mich so umhöre, haben die meisten Pärchen mit diesem Arrangement kein Problem; die Typen würden die Bude nur mit Wrestling- und Biermotiven dekorieren.
Härtetest Urlaub
Das Zusammenleben lässt sich bestens im gemeinsamen Urlaub antesten. Dabei geht es dank Hoteleinrichtung etc. primär nicht um die Einrichtung, sondern um das Aushalten der Marotten des Herzblattes. Schnarcht er doch heftiger, als er von sich behauptet? Singt sie zu laut und zu schlecht unter der Dusche? Lässt er immer sämtliche Dinge offen stehen, wie Kühlschränke und Mülleimer? Erträgt sie es nicht, wenn das Handtuch schief hängt?
All diese Fragen können im Urlaub geklärt werden. Jedoch ist die wichtigste Frage nur von jedem selbst zu beantworten: wie wichtig ist die Me-Time, die Zeit für sich selbst? Manchen ist sie hoch und heilig, andere können und wollen nicht alleine sein. Besteht man auf viel Freiraum, sollte der/der PartnerIn nicht nur Verständnis zeigen, sondern diesen Wunsch auch fördern. Stimmen die Vorstellungen für das gewohnte Miteinander überein, spricht nichts mehr gegen die Gemeinschaftszelle.
Man kann mir das Ruhrgebiet ansehen
Frecherweise wurde mir unterstellt, ich würde wie ein Typ aus dem Ruhrgebiet aussehen. Stimmt zwar, aber hey! Wie kann das sein?
Lässt sich der Geburtsort am Gesicht ablesen? Ich meine damit nicht die Wurzeln der Vorfahren oder so. Vielleicht sollte ich noch einmal genauer fragen: ist es möglich, dass ich einem Kölner das das Kölsche ansehe? Auf alle Fälle wurde ich durch diese Fähigkeit überrascht. In einem Smalltalk-Gespräch warf man mir an den Kopf, dass man mir das Ruhrgebiet ansehen würde. Pff!
Die Nase als Himmelbett für Tauben
Das Ruhrgebiet steht mir scheinbar ins Gesicht geschrieben. Doch was macht den Pott aus? Kenner erinnern sich an den ersten TV-Satz des berühmt-berüchtigten Kommissars Schimanski, der da lautete: »Zottel, du Idiot, hör auf mit der Scheiße«. Typisch für uns. Hauptsache motzen, am besten vulgär. Könnte tatsächlich auf meinem Gesichtsausdruck zutreffen. Es wäre nicht das erste Mal, dass meine Mimik kritisiert wird. Eine alte Bekannte meinte einmal zu mir, dass, ich zitiere, sie »Angst hätte, wenn sie mich nicht kennen würde.«
Auch der aktuelle Tatort-Kommissar Faber, der in Dortmund alle zur Verzweiflung treibt, zeichnet sich durch seine depressive Art und sein großes Mundwerk aus. Dortmund selbst macht in in dieser Reihe keine gute Figur; selbst der damalige Oberbürgermeister beschwerte sich, dass mit der Darstellung der größten Ruhrgebiets-Stadt »Mobbing« betrieben werde. So scheiße ist es hier nicht! Ehrlich!
Grau, abgerockt, aber dafür mit Herz. Solche Beschreibungen lassen sich häufig über den Ruhrpott lesen. Vor einiger Zeit gab es für Duisburg (wo wir schon bei Schimanski sind) die urkomische Werbekampagne, die genügend Freiraum für freche Interpretationen ließ. So stand auf den Plakaten »Duisburg ist echt« und den Rest konnte man sich denken. Besonders kreativ oder gar positiv dürften die Ergänzungen nicht ausgefallen sein, dafür ist der Pott zu sehr abgehängt. Zumindest wenn man den Zahlen des seltsamen »Städte-Rankings« glauben möchte.
Mimik-Mumpitz aus dem tiefen Westen
Zurück zu meiner Visage. Leider versäumte ich, den frechen Mutmaßer zur Rede zu stellen. Was bitte ist an mir typisch Pott? Meine Nase? Hat sie einen Pulsschlag aus Stahl? Vor Arbeit ganz grau und leider total verbaut? Er selbst war in dieser Zeit in Münster daheim. Zugegeben, als Münsteraner hätte ich auch über jeden Duisburger gelacht. Angesehen habe ich ihm das aber nicht, er wirkte mehr wie Typ Düsseldorf.
Auch wenn ich mich an dieser Stelle gekünstelt aufrege, ein Teil von mir ist irgendwo schon zufrieden mit der Einschätzung. Da sehe ich halt nach Ruhrpott aus, was soll’s? Hömma, das erlaubt mir wenigstens die Nutzung eines gewissen Jargons. Wie zum Beispiel: »Jau, bevor ich über dat Pille-Palle von so einen Heiopei bräsich rumnölen tu, kann ich lieber ´nen Pilsken picheln und schön Tralafitti machen. Dann is Schicht im Schacht!«
Wobei … was mache ich, wenn mein Gesicht einfach nur nach Currywurst ausschaut? Töffte.
Wie man alleine in die Kneipe geht, ohne unangenehm aufzufallen
Es ist gar nicht so einfach, alleine in die Kneipe oder vergleichbare Lokalitäten zu gehen, ohne aufzufallen – erst recht nach Corona.
Erinnert sich noch wer an die Zeit vor der Pandemie? Als nicht die wichtigste Frage war, ob man überhaupt genug Abstand findet, sondern wo am meisten los ist? Goldene Tage voller unerwünschter Hangover und leerer Geldbeutel, mit einer Prise Social Awkwardness. Letzteres ist aber in den vergangenen zwei Jahren gar nicht verkümmert, sondern konnte aufgrund der Beschränkungen ordentlich florieren.
Nehmen wir meine Person als Beispiel. Vor der Pandemie bereits komplett von der schnellen und lauten Umwelt verunsichert, fand ich trotz allem einen gewissen Halt an den Tresen meiner liebsten Lokalitäten. Vielleicht lag es am flüssigen Beruhigungsmittel, vielleicht aber auch an den überzeugenden Verkaufsargumenten der Bedienungen. »Willst bestimmt noch eins, wa?« – schwuppdiwupp war ein neues Bier vor meiner Nase. Gegenwehr zwecklos, aber wer mag schon penetrante Spaßbremsen.
Einfach offline bleiben und lächeln
Ob bereits von einem »Nach der Pandemie« die Rede sein kann, lasse ich an dieser Stelle offen. Fest steht jedoch, dass die Kneipen, Lokale, Restaurants, Bars oder whatever wieder zum Socialising bzw. Betrinken einladen. Doch wie soll sich ein verhaltensauffälliger Typ wie ich, der vorher schon arg seltsam Gespräche führte (»Hey, wusstet ihr, dass ein Tatort eine Mindestlänge von 88 Minuten haben muss???«) aktuell ins Getümmel einbringen, ohne direkt unangenehm aufzufallen?
Diverse Ratgeber haben für den Fall des Alleine-Ausgehens mehr oder weniger praktische Tipps parat. Einer leuchtet ein: das Handy einfach mal in der Tasche lassen. Wozu das Haus verlassen, wenn man eh nur die absurden Gespräche in den WhatsApp-Gruppen lesen wird? Der zweite Tipp wirkt auf mich aber arg unrealistisch: einfach (oder mehr) lächeln. Man stelle sich bitte meine Griesgram-Visage vor, wie ich mich einsam am Tresenbier klammere und wie von allen guten Geistern verlassen durch die Gegend grinse. Wenn da niemand die Polizei ruft, dann weiß ich auch nicht.
Wir sitzen alle im gleichen Boot
Noch ein Tipp? Kein Thema. Smalltalk führen! Jede/r, der bereits den einen oder anderen Text dieses Blog gelesen hat, könnte mitbekommen haben, wie miserabel ich diese Disziplin meister. Dabei mag ich oberflächliche Gespräche, in denen nicht direkt meine Finanzen und meine Liebschaften abgefragt werden. Immer schön über das Wetter reden, Hauptsache ich habe die Gelegenheit, mich mit einer ironischen Bemerkung oder Sarkasmus aus dem Gespräch zu winden.
Wie dem auch sei, es ist auch jetzt nicht unmöglich, sich unter die Leute zu wagen. Eine Sache steht fest: den anderen Personen geht es garantiert ähnlich, denn auch sie haben aller Wahrscheinlichkeit die wildesten Marotten in ihrem Sozialentzug gelernt. Lerne sie kennen, zelebriere sie! Und falls jemand mich persönlich an einem Tresen des Vertrauens entdeckt: bitte nicht manisch lächeln. Ich könnte die Polizei rufen.
Dinge, die ich nicht verstehe: Prank-Videos
Zugegeben: Ich kann diese verdammten Prank-Videos nicht leiden. Typisch deutsche Schadenfreude, bei der man lange nach der Pointe sucht.
Diese verdammten Prank-Videos! Ein weiterer unerträglicher YouTube-Trend, bei dem irgendwelche »Influenza« (Wie Onkel Ralf sie nennt) unbedarfte Leute mit versteckter Kamera verarschen. Dabei kennt man diese Form der Schadenfreude aus dem damaligen Fernsehprogramm. In den 80ern versammelte sich die Familie gemeinsam vor der Flimmerkiste, um über »Verstehen Sie Spaß?« abzulachen. Wahrscheinlich nicht der Urvater der Prank-Videos, aber zweifelsfrei ein Vorreiter. Da lachte selbst Onkel Ralf, wenn die Lockvögel ihre Opfer an der Nase herumführten.
Knutschen als Verarsche
Scheinbar gibt es das Format bis heute, wobei ein Großteil dieser Prank-Geschichten tatsächlich bei YouTube gefeiert wird. Ist halt easy und schnell gemacht: der Pranker geht auf irgendeine Person zu und erzählt eine Story, die Baron von Münchhausen vor Neid erblassen lassen würde. Das Ganze wird gefilmt, hochgeladen und dem Hinweis »Hinterlasst einen Like und abonniert meinen Kanal« ins Netz geballert. Angeblich werden in Deutschland meist Pranks mit dem Zusatz »Kissing« oder »Gold Digger« bei YouTube gesucht.
Ich selbst bin wahrlich kein Fan dieser Form der Unterhaltung, wobei ich einräume, dass ich nicht allzu viele gesehen habe. Was ich jedoch beim Schauen von einer Handvoll Clips sagen kann: es gibt nicht nur viele Gemeinsamkeiten, sondern auch negative Aspekte, die ich – sorry – einfach nur scheiße finde. Das hat mehrere Gründe. Zunächst hatte ich den Eindruck, dass die von mir gesehenen Prankster ungerne Personen ansprechen, mit denen sie auf Augenhöhe sind. Vorrangig markieren die verkappten Chauvis den Macker und sprechen folglich mit Vorliebe junge Frauen für ihre Videos an. Die angesprochenen Suchtrends bestätigen diese Annahme.
Witzlose Pranks
Natürlich geht es um Aufmerksamkeit. Das Netz bietet jedoch auch alternative Mittel und Wege, um die klassischen 15 Minuten Ruhm zu erlangen – und vor allem witzige! Die besagten Prank-Videos zeichnen sich stattdessen durch eine konsequente Humorlosigkeit aus. Eine Selbstdarstellung, bei der höchstens die Macher und die max. 15jährigen Fans vor Begeisterung jubeln. Mir persönlich fehlte die ordentliche Prise Selbstironie, die Option, bei all den dem Schabernack ebenfalls über sich selbst lachen zu können. Dafür sah ich nur selbstverliebte Draufgänger, die sich nur für Views interessieren.
Es ist eine feige Art von Humor und Unterhaltung. Egal, wie unverschämt und dreist der Prank war, letzten Endes lässt sich behaupten, dass alles nur Spaß gewesen sei. Alles für die Show, für die Klicks! Sich selbst als überlegen darstellen, während die ausgenutzte Person für einen müden Lacher herhalten muss. Wäre keine Kamera dabei, würde es unter Mobbing fallen. Da muss ich zugeben, dass ich selbst Onkel Ralfs Wortwitze lustiger finde. Typisch deutsche Schadenfreude.
Doomscrolling – mit Lust und Laune lebensmüde lesen
Kaffee? Nein. Eine kalte Dusche? Mitnichten! Kaum bringt mich mehr auf Trab, als kurz nach dem Aufstehen meinen Nachrichten-Feed zu starten und munter die aktuellen Schlagzeilen zu inspizieren. Krieg! Krankheiten! Katastrophen! Noch mehr Krieg! Neue Krankheiten! Gib mir mehr Katastrophen! Macht das glücklich? Gute Frage. Auf jeden Fall befriedigt es etwas Unbestimmtes in mir, eine Art Drang nach Destruktion. Als ob ich den Lego-Todesstern direkt nach dem mühseligen Aufbau zerstörerisch gegen die Wand werfe.
Wenn das Schrecken kein Ende nimmt
Das Phänomen der Lust am Untergang nennt sich Doomscrolling oder auch Doomsurfing. Kurze Umschreibung: wenn exzessiv negative Nachrichten im Internet konsumiert werden. Der Begriff schlug erstmals 2018 bei Twitter seine Wellen, wobei Ereignisse wie z.B. Trump und Corona trugen zur Popularität beitrugen. Ein typisches Problem beim übertriebenen Doomscrolling kann nicht nur die sehr eingeschränkte Weltsicht bzw. das Meinungsbild sein. Vielmehr geraten LeserInnen in die Gefahr, den dämlichsten Fake-News aufzusitzen, mit der die Verursacher um die Aufmerksamkeit und die Klickzahlen buhlen.
Aufmerksamkeit im Internet bedeutet meistens hohe Klickzahlen und diese Klicks wiederum bringen Kohle. Das wissen nicht nur die Schlawiner mit den ausgedachten Fake-Geschichten, sondern auch die großen Medienportale, die sich hinsichtlich ihrer Berichte und Faktenchecks bei einer saftigen Ohrfeige von Will Smiths kaum noch bremsen wollen – nur um ein Beispiel zu nennen. Wie soll da der neugierige Internetsurfer (Sagt das heutzutage noch irgendwer?) noch seinen Gemütszustand retten, wenn es immer nur negative Schlagzeilen hagelt? Ich persönlich würde ja zum Verzicht raten, aber nachher bekommt man die neueste Pandemie-Verordnung nicht mit – und muss sich letztendlich mit empörten Mitmenschen auseinandersetzen.
Doomscrolling, um sich selbst besser zu fühlen
Vielleicht ist es die Lust an der Empörung. Kennt man ja vom Nachbarn, der nach 22 Uhr zu laut seine 90er Playlist abspielt oder gar am heiligen Sonntag seine Waschmaschine anschmeißt. Warum da aufhören? Ist doch viel geiler, wenn man sich über den Klimawandel aufregen kann. Über die nächste Pandemie, welche mich zum Horden von Klopapier zwingt. Oder es ist der Wunsch nach der Gewissheit, selbst nicht so scheiße zu sein, wie die Welt, die durch diese miserablen Schlagzeilen gezeichnet wird.
Bei mir würde das nicht so laufen! Wenn ich der CEO des Planeten Erde wäre, dann würde das alles nicht passieren. Lässt sich behaupten, oder? Dieser kleine Wunsch nach Ordnung und Gerechtigkeit, den man selbst beim Doomscrolling inne hat, wird beim Querlesen arg auf die Probe gestellt.
Womöglich hilft am Ende nur der Verzicht auf das frühe Smartphone-Ritual und die Rückkehr zur abendlichen Tagesschau. Eine Packung Negatives am Stück als den ganzen Tag über verteilt über viele kleine Häppchen. Macht gewiss auch satt, aber schafft wenigstens etwas Luft zum Atmen. Wobei ich mir persönlich wünsche würde, dass die Verursacher öfter mal was Nettes schreiben würde – dieser Blog ausgenommen.
Beim »Gesundheit!« sagen will jeder der Erste sein
Hatschi! Gesundheit! Danke! Bitte! Ein typisches Ritual auf den ersten Blick. Auf den zweiten ein erbitterer Wettkampf um Schnelligkeit. Die Zeit bzw. Nase läuft!
Es gibt dieses Meme namens »Blank Nut Button«, welches zur folgenden Situation bestens passt: jemand niest und wie aus der Pistole geschossen brüllt einer: »Gesundheit!!!!!11«. Meiner Ansicht nach bereitet es besonders hierzulande ein großes Vergnügen, zur jeweiligen Situation die passende Phrase zu dreschen.
Endlich mal recht haben
Zwar habe ich keine Statistik parat, um meine These zu stützen, aber ich erlaube mir zu behaupten: Alman-Achim und Alman-Anette lieben es, nach einem Rotzlaut so schnell wie möglich »Gesundheit« zu brüllen. Sie lauern auf ihre Chance, endlich voller Stolz und mit der Gewissheit das vermeintlich einzig Richtige gesagt zu haben – und freuen sich wie Bolle. Gibt natürlich auch Sonderfälle:
Ich_iel from r/ich_iel
Dankeschön! Bitte, gerne! Die Höflichkeit nach einem Nieser kennt kaum Grenzen. Natürlich gibt es einige Pappenheimer, denen die Rotzfahnen anderer Leute egal sind. Aber in den meisten Fällen hört man Genesungswünsche, eine Höflichkeit, die sonst im Alltag kaum noch anzutreffen ist.
Prost, Gesundheit, was auch immer
Ein paar Worte zum Ursprung. In Zeiten der Pest wünschte man sich »Gesundheit«, sobald jemand nieste. Ein Hatschi stand für eine mögliche Infizierung und mit einem hastigen Genesungswunsch sollte das Unheil verhindert werden. Auf Englisch sagt man »Bless you!«, auf Polnisch eher »Na zdrowie!«, was ebenso »Prost« bedeutet. Jedoch fände ich es etwas irritierend, wenn eine Stimme aus dem Off bei einem besonders feuchten Nieser meinerseits die Notlage mit »Prost« kommentiert.
Zurück zum Wettrennen. Es erstaunt mich, wie in einer Welt voller Unverschämtheiten dieser scheinbar in Stein gemeißelte Reflex des »Gesundheit!«-Rufens dennoch unverwüstbar wirkt. Die Menschen erscheinen gefühlt immer ignoranter, egoistischer, intoleranter und streitlustiger, aber ein Hatschi schafft Raum für Höflichkeit, für Zwischenmenschlichkeit. Sind wir schon so weit, dass wir krank auftreten müssen, ehe etwas Rücksicht und Höflichkeit eingeräumt wird? Manche sagen, Kommunikation sei »alles«. Vielleicht ist Niesen das Kommunikationsmittel der Wahl.