Dein Leben stinkt, doch dank Instagram muss das ja niemand merken. Nutze die Vorzüge der App, um dich selbst ins Rampenlicht zu katapulieren.
Kein Wunder, dass du wenig Bock auf meinen Blog »Miesepeters« hast. Ging mir auch so! All diese negative Scheiße, davon habe ich wahrlich genug in meinem Alltag, wozu also noch eine Extraportion? Dann lieber ein aufregendes und geil aussehendes Dasein auf Instagram! Jene Plattform, auf der sich die Reichen und Schönen tummeln. Wo man seinen Alltag am Strand verbringt, mit Selfies die Kasse füllt und nervtötende Begrifflichkeiten wie »Flurwoche«, »Steuererklärung« und »Vorsorgeuntersuchung« hinter sich gelassen hat. Böse Zungen behaupten, dass ausschließlich Egomanen auf Instagram unterwegs sind, die ihr Lächeln und ihre Körper für absurde Marken hergeben – nach dem Motto »Ich bin Influencer und habe einen Podcast über Zewa Wisch und Weg«.
Die Kritiker haben natürlich recht, aber die App kann auch für uns Normalos hilfreich sein. So besteht die Möglichkeit, ein aufregendes und ereignisreiches Leben durch die richtige Nutzung eines Instagram-Accounts vorzutäuschen, um die eigene Unzufriedenheit zu verschleiern. Du bist hochverschuldet? Dein Arbeitsvertrag läuft aus? Liebesleben mau? Die Kinder sind verhaltensauffällig? Muss ja niemand wissen. Zelebriere ein neues Leben auf Instagram! Aussagekräftige Bilder waren schon immer mehr wert als tausend Entschuldigungen.
Basics
Mache nie Bilder daheim. Erklärt sich von selbst. Wer will schon die Massen an leeren Amazon-Paketen und Wollmäusen sehen? Am besten du gehst in die nächste Ikea-Filiale und machst ein paar Selfies in den makellosen Beispiel-Zimmern. Willst du es etwas persönlicher haben, kannst du einfach Kram von daheim mit ins Möbelhaus nehmen. Die Instagramfans werden denken, dass du dir verdammt viel Mühe in Sachen Inneneinrichtung gibst. Und mindestens ein Drittel wird kreischen: »Hey, das Bild haben wir auch in der Küche!«
Immer Photoshop nutzen. Gib Pickeln und Photobombern keine Chance! Im Grunde ist eine Aufpolierung der Realität mit Photoshop wie eine Schönheits-OP zum Nulltarif. Zusätzlich hast du die Fäden in der Hand und löscht unliebsame Kreaturen (Ex-Partner) oder Gegenstände (Drogen) einfach aus deinem Foto. Geht auch: sich selbst ausschneiden und auf Desktop-Hintergründe platzieren. Die Reaktionen werden gemischt ausfallen. Einige verteilen Komplimente, weil du scheinbar die halbe Welt gesehen hast und der Rest wird grün vor Neid werden (»In Wirklichkeit ist sie fetter«).
Feintuning
Sei tierfreundlich. Am besten fotografierst du alle zehn Minuten das eigene Haustier. Es gibt wohl kaum etwas mit mehr Likes als so ein superniedlicher Welpe, der über seine eigenen Pfoten die Treppe runter stolpert. Solltest du kein Haustier und somit auch kein Herz besitzen, so kannst du a) eins leihen oder b) ins Zoogeschäft gehen. Dank des tierischen Einflusses werden dich alle für einen besseren Menschen halten und nicht mal ansatzweise ahnen, dass du immer noch Fleisch isst. Das wäre die nächste Hürde: du solltest für ein ideales virtuelles Leben fortan nur noch Avocados und Latte Macchiato (selbstverständlich mit Sojamilch) als Nahrungsmittel fotografieren.
Sport, Sport, Sport. Es wirkt schon alleine deshalb wichtig, weil ich es dreimal hintereinander schrieb. Sport ist das neue Saufen und vermittelt bei gekonnter Umsetzung den Eindruck, dass man nicht den ganzen Tag am Handy verbringt. Realistisch gesehen ist das natürlich Unfug, da für das perfekte Fitness-Studio Foto unzählige Versuche gebraucht werden, sodass kaum Zeit für das Training bleibt. Da Fotos auf Instagram jedoch höchstens eine Sekunde angeschaut werden, bleibt auch keine Zeit, um diesen Schwindel aufzudecken. Also sportlich wirken! Das vermittelt den Eindruck, dass man sein Leben trotz Jogginghosen noch unter Kontrolle hat.
Pro-Tipps
Keine Worte, höchstens Hashtags. Ein Bild oder Foto bietet dem Betrachter die Möglichkeit, das Gesehene selbst zu interpretieren. Damit kann sich ein erfolgreicher Instagrammer die Mühe sparen, jeden Schnappschuss dementsprechend zu kommentieren. Wird zum Beispiel ein Urlaubsbild gepostet, so wird höchstens das Reiseziel als Hashtag genannt. Das reicht auch vollkommen aus, weil die übertriebenen Hashtag-Listen eh niemand genauer liest. Du hingegen kannst diese Listen nutzen, um noch mehr Leute anzusprechen, die du sonst nie erreicht hättest. Teste es beim nächsten Bild, indem du ein Urlaubsbild mit den Hashtags #unicorn und #dankemerkel versiehst.
Diese Motive und Themen eignen sich nicht: Essensreste, Selfies NACH der Party, Kontoauszüge, Balkonien, Stimmungstiefen, Politik und alles, was mit Realität zu tun hat. Was stattdessen ablichten? Easy: wie du einen veganen Muffin isst, wie du lächelnd vor einer Shopping-Mall stehst, wie du dich am Strand räkelst, wie du deine Muskeln im Fitness-Studio spielen lässt, wie elegant du in/auf einem Auto sitzen kannst, wie du einen flauschigen Hund streichelst, frisch erhaltene Amazon-Pakete und Pärchen-Fotos, von denen man vor lauter Sweetness Karies bekommt. Solltest du nichts von alledem (Muffins, Muskeln, Lover etc.) haben: Photoshop oder wenigstens eine Fototapete.
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